Umkehr schafft Gott

Der Bibeltext aus 2. Chronik 7,14 führt ins 10. Jahrhundert v. Chr. Unter der Regentschaft Salomos wurde das zentrale Heiligtum gebaut, der Tempel in Jerusalem. Salomo hatte gerade ein grosses Weihegebet über den imposanten Sakralbau gesprochen. Danach kam es zu einem fulminanten siebentägigen Fest. Es ist die Zeit des Laubhüttenfestes. Am Laubhüttenfest werden Hütten gebaut, die während dem Fest zu vorübergehenden Wohnungen werden. Das Laubhüttenfest erinnert nicht nur an die Wüstenzeit des Volk Gottes, sondern vor allem an den Wunsch nach Hause zu kommen und Heimat in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott zu finden. Als Wandernde in der Wüste haben sie keine bleibende Stätte. Sie sind unterwegs und wohnen in einfachen Hütten. Ihr Ziel ist das gelobte Land, resp. die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott. Darin besteht die tiefe Glaubensdimension dieses Festes. Die Einweihung des Tempels scheint die Erfüllung dieses Festes zu sein. Gott zieht in den Tempel, mitten unter sein Volk. Dies ist ein Bild für Jesus Christus, der in diese Welt einzieht als Sohn Gottes und Wohnung nimmt mitten unter uns Menschen. Wir sind auch Wandernde. Damals warteten also die Juden darauf, dass Gottes Herrschaft sichtbar werde und der Tempel zum Ort göttlicher Ordnung wird. Was damals noch nicht ganz vollendet wurde, soll durch Jesus Christus weitergeführt werden. Wir warten darauf, dass Gottes Reich diese Erde erfüllt und eine andere Gerechtigkeit unser Zusammenleben prägen kann. Die Einweihung des Tempels hat eine tieferliegende Bedeutung.

Während diesen Tagen, so berichtet es das 2. Chronikbuch, wurden «zweiundzwanzigtausend Rinder und hundertzwanzigtausend Schafe» (2 Chr 7,5)[2] geopfert. Die Dimension dieses Ereignisses war immens. Die Menschen zogen nach der Festwoche erfüllt nach Hause. Dann antwortete Gott auf Salomos Gebet und auf all das, was Jerusalem sieben Tage in Atem gehalten hatte: Wenn «mein Volk, über das mein Name genannt ist, sich demütigt, dass sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen» (2 Chr 7,14). Statt ein Ort des Opfers soll der Tempel ein Ort des Gebets sein. Darin liegt die Hauptkritik. Gottes weitere Rede nimmt direkt Bezug auf Dinge, die in Salomos Gebet angesprochen waren. Drei der von Salomon genannten Katastrophen, die den Bestand des Volkes im Land gefährden könnten, werden angesprochen: Dürre, Heuschreckenplage und Pest. Allerdings erscheinen sie hier nicht in der unpersönlichen Weise wie bei Salomo, sondern als direkt durch Gott veranlasst: «Wenn ich den Himmel verschliesse … und den Heuschrecken gebiete … und wenn ich Pest entsende …» Gott lässt zu, damit der Mensch sich ihm zuwendet. Plagen haben ein «Wofür». Gott fordert Reue, Gebet, und Umkehr auf den rechten Weg, worauf Gott mit Vergebung und Behebung der Not antworten wird. Reue und Busse sind erforderlich, wegen ihrer «bösen Wege».  Schliesslich wird Gottes Hilfe nicht als Behebung der jeweiligen Not geschildert, sondern mit dem allgemeinen Ausdruck «ich werde ihr Land heilen» bezeichnet. Gott will sein Volk wieder ganz und gesund machen.

Nicht in Schall und Rauch, sondern in der Demut und im Gebet, im Suchen von Gottes Angesicht und in der Umkehr, ist Gott zu finden. Wie damals als Gott in den Tempel kam, so ist auch das Kommen von Jesus Christus mit der Predigt der Umkehr verbunden. Johannes der Täufer ruft zur Umkehr (Mk 1,4) und Jesus Christus nimmt diesen Ruf auf. Wir lesen dazu im Markusevangelium folgenden Hinweis: «Nachdem aber Johannes überantwortet wurde, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Busse und glaubt an das Evangelium (Mk 1,14–15)!» Heilung nimmt ihren Anfang in der Umkehr, in der Umkehr vom stolzen Menschen, der Gott leben will. Nur der demütige hat Zugang zu Gott. Das Ziel der Umkehr ist die Gemeinschaft mit Gott, die Erfüllung des Laubhüttenfestes. Nicht mehr Wandernde, sondern Nach-Hause-kommende, wollen wir sein.

Dies gilt zum einen für die persönliche Ebene zum andern gilt dies aber auch für die nationale Ebene. Wie das jüdische Volk, so erleben auch wir heute globale Veränderungen und Bedrohungen. Auch wenn es nun wieder Öffnungen im Alltag gibt, bleiben die Erfahrungen der letzten Monate in unseren Knochen spürbar. Was wir heute brauchen, sind nicht fulminante Fester, die von jeder Realität ablenken wollen, sondern Menschen, die sich zu Gott hinkehren. Diese globale Verunsicherung der letzten Monate, das Bewusstsein dieser Erschütterung soll ins Gebet führen, weil nur Gott wirklich heilen kann. Wir können nur im Gebet mit diesen Spannungsfeldern umgehen, weil schlussendlich Gott eingreifen muss. Die Antwort auf unsere Wanderschaft ist Gottes Heimat. Das Vermitteln in dieser Spannung zwischen bedroht und sicher, zwischen krank und gesund, zwischen «noch nicht» und «jetzt schon», kann nur im Gebet gelebt werden. Warum?

Das Gebet macht Gott zum Gegenüber. Ich rufe ihn an und lade ihn ein in meine Situation. Das Gebet ist der Ausdruck, dass meine Realität nicht die letzte Wirklichkeit sein soll. Das Gebet vermittelt zwischen Himmel und Erde. Das Gebet ist die Sprache der Hoffnung, weil nicht das Elend und der Zerbruch, sondern Gott, der heilt, zu meinem Gegenüber wird. Damit widersetze ich mich nicht gegen medizinisches Handeln und wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern glaube, dass zu unserem menschlichen Handeln es schlussendlich Gott ist, der wieder herstellt und ewige Ordnungen setzt.

Beten heisst: Jesus Christus einlassen, ihn zum Gegenüber machen. Jesus Zugang geben in unsere Fragen und Nöten und damit die persönlichen und globalen Spannungsfelder vor ihn bringen. Es ist der Glaube, dass ich Jesus Christus die Gelegenheit gebe, damit er sich in unserer Not verherrlichen kann. Der Erfolg des Gebets hängt nicht vom Beter ab. Weder ein starker Willen noch ein brennendes Gefühl sind Bedingung. Beten bedeutet, Jesus Christus Zugang zu geben und Gottes Wirklichkeit in die Welt hineinsprechen. Dabei fokussieren wir uns nicht auf das Problem, sondern auf Jesus Christus. Leben mit Gebet, beinhaltet leben in dieser Spannung und dabei erleben, wie Gott wirkt. Nicht ich muss die Last tragen, sondern Gott selbst hat am Kreuz durch Jesus Christus unsere bösen Wege auf sich genommen.

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